Aktion "Erzengel Rafael"
Patenschaftsbericht 2011
„Eure Arbeit ist doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein". Diese Aussage haben wir schon des Öfteren gehört. Das Bewusstsein aber, dass durch unsere Hilfsaktion schon 582 Familien in der Diözese Kanjirapally geholfen werden konnte, erfüllt uns mit tiefer Dankbarkeit. Davon haben bereits 494 Familien den vollen Betrag erhalten, 88 Familien werden noch unterstützt. Leider kommt es immer wieder vor, dass Familien durch erneute Schicksalsschläge noch eine Zusatzzahlung benötigen. Über die genauen Umstände werden die Paten von uns informiert. Die Hälfte ist bereit, nochmals zu helfen, die andere Hälfte reagiert nicht auf unsere Mitteilung. Weil wir uns aber für die Familien aus unserer Aktion verpflichtet fühlen, versuchen wir, in jedem Fall dem Hilferuf nachzukommen. Durch die steigenden Preise und dem vermehrten Hang der Kinder zu einer höheren Ausbildung kommen Anfragen dieser Art leider immer öfter. Um diesen gerecht werden zu können, bitten wir weiterhin um kräftige Unterstützung.
Im Februar besuchten wir 23 Familien. Bei einigen durften wir uns freuen, weil die positiven Auswirkungen unserer Hilfe gut erkennbar waren. Wir kommen aber auch zu Familien, in denen die Lage noch sehr schwierig ist und diese wenigstens mittels Direkthilfe mit kleineren Beträgen etwas gelindert werden kann. Etwa mit € 100,-- für eine Ziege mit Kitzen, mit € 120,-- für einen Rollstuhl, oder wie heuer mit € 200,-- für die Installation eines englischen Klosetts. Das ist eine große Erleichterung für den 16-jährigen Bibin mit den schweren Beinproblemen. Wir kennen ihn seit Beginn der Aktion, seit er 5 Jahre alt war und haben seither seine Entwicklung beobachtet. Spontane Hilfen dieser Art können wir leisten, weil es zum Glück freundliche Menschen gibt, die uns vor unserer Reise nach Kerala etwas Geld mitgeben. Die größeren Beträge, wie den Verkaufserlös vom Patrizimarkt, den Ertrag von Veranstaltungen und andere größere Zuwendungen im Laufe des Jahres, werden für Überlebensfälle verwendet. Wie z.B. für die letzte Familie, die wir heuer besucht haben. Weil es dem jungen Ehepaar mit den 3 kleinen Kindern im viel zu kleinen Elternhaus zu eng wurde, begann der 32-jährige Familienvater ein Haus zu bauen. Als die Grundfeste fertig war, hatte er im Jänner d.J. einen schweren Autounfall und ist seither vom Kopf abwärts gelähmt. Seither schwebt er zwischen Leben und Tod. Das Krankenhaus hat ihn damals nach einigen Tagen zum Sterben nachhause geschickt. Auch kann sich eine Familie einen längeren Krankenhausaufenthalt nicht leisten,
weil es dort keine Krankenversicherung gibt. Für den Krankentransport, Krankenhausaufenthalt mit Behandlung bis zum Essen muss alles von der Familie bezahlt werden. Seine Frau ist mit der Betreuung des schwer kranken Mannes und der drei kleinen Kinder überfordert. Den Anblick, wie sie zart und klein und verzweifelt in dem kleinen, heißen Raum neben dem Bett ihrs Mannes gestanden ist, kann ich nicht vergessen.
Eine andere Familie mit 5 Söhnen kam in große Not, weil der Familienvater, der als Elektriker arbeitete, an einem seltenen Leiden erkrankte. Die Ärzte finden keine Medikamente, die ihm wirklich helfen. Seinen Beruf kann er nicht mehr ausüben, weil er zeitweise stark zittert. Er kann nicht schwer arbeiten, daher kauft er säckeweise Gewürze und andere Lebensmittel, verpackt diese in kleine Gebinde und verkauft sie in der Nachbarschaft. Wenn es ihm besser geht, knüpft er Rosenkränze für den Verkauf. Von diesem geringen Erlös muss die Familie ihr Auskommen finden. Das kleine Haus hat nur 2 Räume und ein kleines Vorzimmer. Ein Raum ist mit vollen Säcken angepackt. Der andere Mini-Raum dient als Küche, Schlaf- u. Aufenthaltsraum für die Großfamilie. Diese Familie gehört leider zu jenen, wo die Paten die Zahlung eingestellt haben. Die Frau hat gleich zu Beginn für 2 Jahre bezahlt und sich dann nie mehr gerührt. Es kam keine Reaktion auf unsere Briefe und E-Mails und das Paket mit den Rosenkränzen und dem Dankschreiben der Familie aus Kerala kam ungeöffnet zurück. In diesem Fall überwiesen wir von unserem Spendenkonto nicht nur die für die Patenschaft noch ausständigen € 360,--, sondern zusätzlich € 2000,--. Mit diesem Geld und mit dem Erlös ihres kleinen Häuschens kann die Familie ein Stück Land kaufen und darauf ein größeres Haus errichten.
Das sind nur 2 von vielen traurigen Schicksalen, die wir Jahr für Jahr im Zuge der Familienbesuche erleben.
Wie schon oft erwähnt, beinhaltet unser Projekt auch ein Ausbildungskonto. Wir ermöglichen jedes Jahr 6 – 8 Schülern den 2-Jahres-Kurs über € 150,--, der für die Weiterbildung nötig ist. Bis jetzt waren wir der Meinung, dass dieser Kurs nur für ein höheres Studium Bedingung ist. Heuer erfuhren wir im Zuge unserer Familienbesuche, dass dieser Kurs auch für eine Berufslehre Grundvoraussetzung ist. Wir besuchten eine Familie, deren Sohn die Automechaniker-Lehre macht und waren verwundert, als wir hörten, dass auch er den 2-Jahreskurs dafür benötigte. Auch muss für die Lehre bezahlt werden. Sie dauert 2 Jahre und kostet 32000 Rs, umgerechnet etwa € 530,--. Dazu kommen noch die Fahrtkosten und andere Nebenkosten.
Die Familienbesuche sind physisch und psychisch sehr belastend. Für eine effektive Durchführung eines Projektes dieser Art ist es aber wichtig, die Familien von Zeit zu Zeit zu besuchen, um einen persönlichen Eindruck über die Verhältnisse zu bekommen und zu kontrollieren, ob die Vereinbarungen auch eingehalten werden. Es können natürlich nicht alle Familien besucht werden, aber alle wissen, dass Besuche gemacht werden und jede Familie muss damit rechnen, dass es sie trifft. Für uns haben die Besuche den Vorteil, uns ein wenig diese uns so fremde Kultur erahnen und begreifen zu lassen.
Besuch bei AER-Partnerfamilien in Kerala
So wie jedes Jahr seit dem Bestehen der Aktion, verwendete Fam. Schneider auch heuer wieder einen Teil des Urlaubs, um Partnerfamilien zu besuchen. Dankenswerter Weise erklärte sich Mr. Johny wieder bereit, die Begleitung zu übernehmen. Als Leiter der Familienprojekt-Abteilung in Kanjirapally hat er die meisten Kentnisse über die Situationsverhältnisse der einzelnen Familien. Seiner großen Erfahrung ist es zuzuschreiben, dass er, gemeinsam mit den Familienoberhäuptern, in der Regel eine gute Lösungsmöglichkeit für deren Probleme findet.
Unsere Aufgabe dabei ist es, so viel Geld wie möglich dafür zu beschaffen. Hier handelt es sich um Familien, deren Situation sich trotz einer Patenschaft nicht wesentlich verbessert hat. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie etwa eine schwere Krankheit, verbunden mit sehr hohen medizinischen Kosten, die Begräbniskosten nach einem Todesfall in der Familie, ein Unfall, Krankheit oder Tod einer Kuh, Einsturz des Wohnhauses, Schaden durch einen Baumfall auf das Haus, usw. und nicht zu vergessen die Mitgift und Ausgaben für eine Hochzeit, wenn die Familie eine oder gleich mehrere Töchter hat.
Bei unseren Besuchen kam uns wieder zum Bewusstsein wie schwierig es oft ist, die Häuser dieser armen Familien zu erreichen. So mussten wir einen steilen Aufstieg überwinden, über mehr als 50 unregelmäßig hohe, in den Fels geschlagene Steine. Der Familienvater musste sich vor einem Jahr einer Herz-OP unterziehen. Es ist unvorstellbar, wie er in seinem sehr schlechten Zustand zur Hauptstraße gebracht werden konnte, wo der Rettungswagen auf ihn wartete. Aber auch für die gesunden Familienmitglieder ist diese Wohnlage eine große Herausforderung. Wie alles zum Leben Nötige, muss auch das Wasser vom Tal geholt werden. Seit der Erkrankung des Familienvaters ist das einzige Einkommen der Familie der geringe Lohn des Großvaters von seiner Tätigkeit als Gummibaumanschneider. Die Patenschaftshilfe wird zur Gänze für die medizinischen Ausgaben und die Ausbildung der beiden Töchter verwendet.
Immer wieder treffen wir Familienmitglieder an, die Lähmungen in den Beinen haben. Es begann mit starken Schmerzen in den Beinen, die sie nach kurzer Zeit nicht mehr bewegen konnten. Die Ärzte können sich nicht erklären, was diesen Zustand auslöst, sind aber in den meisten Fällen überzeugt, dass sich bei Anwendung einer entsprechenden Therapie eine deutliche Besserung einstellen würde. Leider ist in diesen Familien für so eine Behandlung kein Geld vorhanden.
Auch heuer trafen wir einen Familienvater an, dessen Beine seit 11 Jahren gelähmt sind. Im Bett liegend macht er die Buchhaltung für die Pfarre, dafür bekommt er im Monat umgerechnet 15 Euro. Mit diesem geringen Einkommen muss die 3-köpfige Familie ihr tägliches Leben bestreiten. Um ihm die Arbeit etwas zu erleichtern, indem er sie im Sitzen erledigen kann, ließen wir 100 Euro dort für den Kauf eines Rollstuhls.
In einem kleinen Krankenhaus führte uns die Ärztin zu einem jungen Mann. Er ist vor 4 Jahren vom Baum gefallen und seither sind seine Beine gelähmt. Die Mutter war bei ihm, sie ist schon älter und bei schlechter Gesundheit. Der Vater lebt nicht mehr und seine einzige Schwester hat Krebs im Endstadium. Der Anblick dieses armen Kranken rührte uns sehr, er wurde gerade wegen einer offenen Wunde am Rücken behandelt. Nach Auskunft der Ärztin könnte der Junge aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Therapie die Beweglichkeit der Beine wiedererlangen. Wir ließen die dafür nötigen 250 Euro dort in der Hoffnung, dass die Behandlung zum Erfolg führt.
Zusätzlich zu diesen bereits erwähnten 350 Euro gaben wir 350 Euro für die Anschaffung einer Kuh, sowie 250 Euro als Teilbetrag für eine Schulausbildung. Eine Familie lebte mit 2 Kindern in einer unzumutbaren Hütte, bestehend aus einem Gerüst aus Bambus das mit Palmenblättern umwickelt und mit Plastik abgedeckt war. Das Geld von der Patenschaft musste fast zur Gänze für den Kauf eines Grundstückes verwendet werden. Wir ließen 600 Euro dort, das sind die halben Kosten für einen Haus-Neubau.
Die Soforthilfe konnten wir nur deshalb leisten, weil wir vor der Reise von freundlichen Menschen Geldspenden für besondere Notfälle bekommen haben. Wir danken sehr herzlich dafür, denn auf diese Weise ist es uns weitgehend erspart geblieben, diese armen Menschen hoffnungslos zurückzulassen.
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Erhöhung der Patenschaftskosten der Aktion Erzengel Rafael
Mehr als 11 Jahre, seit dem Beginn des Projektes, sind die Kosten für eine Patenschaft gleich geblieben. Leider gibt es seit einigen Jahren auch in Kerala drastische Preiserhöhungen, sodass wir uns zu einer Anhebung des Beitrages
von € 720,-- auf € 960,--
entschlossen haben, um weiterhin in rechter Weise helfen zu können.
Der neue Patenschaftsbetrag von € 960,-- gilt für die Neu-Übernahmen ab März 2010. Es bleibt den Paten überlassen, ob sie die bereits laufenden und noch nicht ausbezahlten Patenschaften an diesen Betrag angleichen wollen, was natürlich eine große Hilfe für die Familien wäre.
Für Ihr Verständnis dankt das Team der Aktion Erzengel Rafael!